Ein mutiger Neuanfang

Großartiges "englisches" Konzert der Chorgemeinschaft

Traditionen fortführen und neue Akzente setzen: Unter diesen Vorzeichen fand am Samstag das erste Chor- und Orchesterkonzert der Chorgemeinschaft Vilsbiburg unter der Leitung von Antonie Gorzawski statt. Gehörte der erste Teil des Konzerts allein der neugegründeten Camerata Vilsbiburg unter der Leitung von Dirigentin Monika Schwarz, steuerten anschließend die Chorgemeinschaft und der Projektchor VOC 14 mit dem Orchester auf den musikalischen Höhepunkt des Abends zu, die "Mass of Children" von John Rutter. Begeisterter Applaus in der völlig ausverkauften Aula der Mittelschule belohnte diesen geglückten mutigen Neuanfang.

Bewährtes aufgreifen und Neues bieten. Das Niveau halten und noch ein bisschen mehr herausholen. Unbekanntes präsentieren und Hörgewohnheiten respektieren: Schon die Zusammenstellung des Programms ist den neuen Dirigentinnen Monika Schwarz und Antonie Gorzawski vor diesem Hintergrund perfekt gelungen.

Die vier Komponisten des Abends sind durch ihre Herkunft verbunden, denn alle vier leben oder lebten auf der britischen Insel. Jedoch nimmt der Zuhörer wahr, wie mannigfaltig in Großbritannien komponiert wird. Obwohl die Werke zeitlich gesehen sehr eng aufeinanderfolgend entstanden sind - 1912 die "St. Pauls Suite" von Gustav Holst und 1914 das Stück "Sospiri" von Edward Elgar - und sich von der Besetzung her ähneln, klingen sie völlig anders. Bei Holst tauchen die Melodien in den Stimmen der verschiedenen Instrumente auf und können mühelos verfolgt werden, während bei Elgar Klanggesten des Orchesters wechselnde Klangfarben erzeugen.

Die vier Tanzsätze der "St. Pauls Suite" wurden von Gustav Holst für die St. Pauls Mädchenschule bei London geschrieben und verweisen wohl auf den Schwung und Drive, der vonnöten ist, um ein neues Orchester auf die Beine zu stellen.

Die Musiker tanzen lassen

Monika Schwarz ließ die Musiker tanzen, vom ersten Unisono der Violinen bis zur rhythmischen Begleitung im Kontrabass. Das Streichorchester bot einen ausgewogenen runden Klang und präsentierte sich sowohl sehr beweglich in den Taktwechseln, als auch außerordentlich schön und differenziert im Klang. Das herrliche Violinsolo von Konzertmeisterin Birgit Adolf im dritten Satz, das in der Melodie orientalisch anmutet, kam bei ihr ohne jeden Kitsch aus.

Mit dem Stück "Sospiri" für Streichorchester und Harfe stellt Edward Elgar komplett andere Ansprüche an die klanglichen Ausdruckmöglichkeiten eines Orchesters. Eine Harfe, wunderbar gespielt von Irmgard Gorzawski, erweitert das Klangspektrum. Monika Schwarz nahm das Adagio zwar relativ flüssig, doch fand sich der Zuhörer in einer ganz anderen Sphäre wieder, es war wie ein Innehalten und Nachdenken, was da wohl kommen möge. Und tatsächlich: der Effekt des Neuen erschien größtmöglich.

Nachdem die Sänger Aufstellung genommen hatten, erklang mit dem Werk "Te Deum" von Karl Jenkins ein zeitgenössisches Werk, das erst vor gut sieben Jahren komponiert wurde. Antonie Gorzawski bewies mit dieser Wahl außerordentlichen Mut zu Neuem und stellte sich der Herausforderung, mehr als siebzig Sängerinnen und Sänger für neue und innovative Chormusik zu begeistern. Das ist ihr perfekt gelungen und sie dirigierte mit großem Schwung bis in die Zehenspitzen.

Der Klang schien abzuheben und der fordernde Rhythmus riss vom ersten Ton an die Ausführenden und das Publikum mit. Chor und Orchester befeuerten sich gegenseitig. Die üppig besetzte Percussionsgruppe mit Spitzenmusikern trug ihren Teil dazu bei. Da ist frühchristlicher Text ganz neu gewandet und wird im ersten Satz dem Publikum fast provokativ entgegengeschleudert: Das hier ist zeitgenössisches Lob Gottes. Hört her!

Die folgenden, sehr elegischen Passagen gewährten einen Einblick in die intensive, dem Konzert vorausgegangene Chorarbeit Gorzawskis: die Melodien des Chores schweben auf und nieder, heben und senken sich im Zusammenspiel mit den Trompeten scheinbar mühelos. Immer wieder kehrt Leben zurück. Da wird der gleichmäßig pulsierende Rhythmus der Streicher durch das Marimbaphon aufgepeppt und die Trompeten schmettern dazu, bis das Ganze in der Reprise kulminiert. Was für ein toller Gesamtklang.

Den Höhepunkt des Konzerts stellte nach der Pause die "Mass of the Children" von John Rutter dar. Obwohl das Werk nur fünf Jahre vor dem "Te Deum" von Karl Jenkins entstanden ist, ertönten nun ganz andere Klänge. Das Orchester wurde erweitert um Flöten, Klarinetten, Oboen, Fagotte und Hörner, und zwei Solistinnen traten hinzu.

Dem lateinischen Messtext sind englische Texte beigeführt, mit denen der Kammerchor VOC 14 nun zum ersten Mal im Konzert isoliert wahrgenommen werden konnte. In der Mitte der Chorgemeinschaft platziert, fühlte sich der junge Chor hörbar pudelwohl und sang gleich in der Einleitung zum Kyrie herzerfrischend, melodisch klar und rein.

Mit kraftvollen Stimmen und klarer Artikulation präsentierte sich die Chorgemeinschaft und wurde stets vom Orchester klangvoll unterstützt. In diesem farbigen Miteinander herrschte große klangliche Ausgewogenheit, und die großartigen Soli von Bettina Baumgartner-Geltl, Sopran, und Ute Feuerecker, Alt, erweiterten das Klangspektrum um das I-Tüpfelchen und leuchteten wie Sterne in diesem äußerst mitreißend komponierten Werk.

Bewundernswert intensiv ist die Verbindung von der Dirigentin Antonie Gorzawski zum Chor. Man kann es fühlen, spüren und vor allem hören. Herauszuheben ist die A-cappella-Stelle mit "Dona nobis pacem" gegen Ende des fünften Satzes, in welcher die Chorgemeinschaft Vilsbiburg dann endgültig ihre neue klangliche Visitenkarte abgegeben hat: Hörenswert klangschön und ausdruckvoll.

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